Ostern 2019 zu Gast in Südafrika

Pressemitteilung 05. Mai 2019

Warum es sich (trotzdem) lohnt, die Partner*innen in Südafrika zu besuchen

Natürlich gibt es viele Argumente, die heutzutage dagegen sprechen, eine Flugreise von Deutschland nach Südafrika zu unternehmen – aber es ist dennoch ein Gewinn, wenn man die Partnerschaft ernst nimmt. Ein Bericht von der Delegationsreise im April 2019

Partnerschaft heißt Kontakt und Begegnung. So wurde und wird die Partnerschaft mit den südafrikanischen Kirchengemeinden in den Kirchenkreisen Durban, Umngeni und Umvoti immer beschrieben. Wie kann man eine Partnerschaft lebendig machen, wenn es aber keine Möglichkeiten gibt, sich persönlich zu begegnen? Denn es gibt viele Gründe gegen solche Reisen. Natürlich muss heutzutage immer wieder überlegt werden, was ein solcher Besuch bringt. Das ist wichtig, wenn man an die Gelder denkt, die in eine Reise aus/nach Südafrika investiert werden. Es sind Gelder aus Kirchensteuermitteln, aus Spenden und Kollekten und auch private Gelder. Eine Reise ist nicht günstig.

Aber auch die Wegstrecke verdient eine Beachtung: Dürfen kirchliche Gruppen heutzutage noch fliegen? Ist es nicht besser, andere Begegnungsmöglichkeiten, z. B. in sozialen Netzen, zu nutzen, um einen Kontakt zu pflegen? Flugreisen sind mit am stärksten umstritten, wenn es um die Bewahrung der Schöpfung geht. Und das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die Christ*innen seit Jahrhunderten formuliert haben und für die sie Sorge übernehmen müssen.

Ein Kontakt zwischen den Partnern kann bestehen durch Anrufe, Briefe, Nutzung sozialer Medien aller Art. Aber, so denke ich, das kennen wir aus allen Lebensbereichen: Eine persönliche Begegnung hat eine andere Qualität, gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen (also so etwas wie eine gemeinsame „Geschichte“) sind wichtig. Und Partnerschaft soll auf „Augenhöhe“ gestaltet werden, ein Schlagwort, das ebenfalls seit Jahrzehnten die Partnerschaften bestimmt. Manche Missverständnisse, Nachfragen, Diskussionen lassen sich eben am besten im direkten Gegenüber und gemeinsamen Gesprächen leichter klären.

Und: Für mich ist es, auch nach mehr als 20 Jahren aktiver Beteiligung an den Kontakten nach Südafrika immer noch etwas Anderes, ob ich „irgendwo“ in Deutschland anrufe oder in Südafrika: Wie wird die Verbindung sein? Haben meine gewünschten Gesprächspartner*innen gerade Zeit? Wie sieht ihr Alltag eigentlich aus? Wann passt ein Gespräch? Und: Habe ich (und auch mein*e Gesprächspartner*in) gerade die Ruhe und Gelassenheit, mich auf diese Unwägbarkeiten einzulassen? Kann ich schnell genug in Englisch reagieren, wenn mir das sichtbare Gegenüber fehlt?

Im April 2019 war eine siebenköpfige Delegation aus den Kirchenkreisen Melle-Georgsmarienhütte und Bramsche für fast drei Wochen bei den Partnern in Südafrika.

Die gemachten aktuellen Erlebnisse und Erfahrungen sollen helfen, die oben genannten Fragen zu konkretisieren.

  • Wir sind unseren Partnern begegnet – nicht nur den direkten Partnergemeinden über die Ostertage, sondern haben viele andere Gemeinden besucht, Briefe und Neuigkeiten hin und her transportiert und haben daher unzählige Eindrücke und Anregungen bekommen. Schon aus diesem Gesichtspunkt haben wir gemerkt, dass wir als Multiplikator*innen zurück in Deutschland tätig werden dürfen/müssen.
  • Wir haben erfahren, in welchen Bereichen die Partnergemeinden tätig sind: Es gibt soziale Projekte z. B. für Drogenabhängige oder für Geflüchtete in den Gemeinden und solche, die von den Gemeinden unterstützt werden. Landwirtschaftliche Projekte in den Gemeinden und Kirchenkreisen dienen dazu, die Menschen zu ernähren (und für diese Arbeit zu trainieren). So wie bei uns im Norden stehen unsere Partner mit vielen anderen Organisationen im Kontakt, um für die Gemeinde das Beste zu erreichen. Diese Besuche haben wir immer mit den Partnern gemeinsam gemacht – und den südafrikanischen Gemeinden geht es so wie uns: Wenn die Partner kommen, „rücken wir näher zusammen“, lernen unsere Gemeinden gegenseitig besser kennen. Die gemeinsamen Besuche haben für Diskussionen und Gesprächsstoff gesorgt, den wir sonst nicht gehabt hätten – und auch nicht die daraus entstandenen Ideen.
  • Wir haben unsere Partner durch diesen Besuch gestärkt – und das ist ein wichtiges Signal in kirchenpolitisch schwieriger Lage in der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (ELCSA). Seit mittlerweile fast 1,5 Jahren ist die Arbeit in der Südost-Diözese „auf Eis gelegt“, da es einen Konflikt zwischen der Diözese und der ELCSA gibt, der bis heute nicht gelöst ist. Die Gemeindeglieder haben von Beginn dieser Auseinandersetzung an gesagt, dass das keinen Einfluss auf das gemeindliche Leben haben soll. Und das ist bisher Die Delegation trifft den gewählten Bischof der Diözese, Pastor Myaka. gelungen, auch wenn immer wieder versucht wird, Misstrauen und Vorbehalte zu säen. Manchmal erscheint es unseren Partnern so, als würde dieser Streit kein Ende nehmen und das kirchliche Leben bestimmen. Da ist es gut, wenn die Partner aus dem Norden mit dem Besuch ihre Solidarität zeigen und mitleiden. -
  • Wir haben viel über uns erfahren und neue persönliche Ideen mitgebracht: Es ist etwas Besonderes, in einer ganz anderen Kultur in Familien/Haushalten zu wohnen. Das bedeutet, Südafrika noch intensiver zu erleben, den Alltag der Menschen wirklich kennen zu lernen. Das bringt neue Entdeckungen vor allem für sich persönlich! Fließendes Wasser ist heute immer noch nicht selbstverständlich, das Essen ist anders, der Lebensrhythmus auch. Was davon gefällt mir? In den Gemeinden werden die Tage von Gründonnerstag bis zum Ostermorgen gemeinsam verbracht: es wird in Klassenzimmern geschlafen, gemeinsam gegessen, in Zelten Gottesdienst gefeiert. Aber es gibt auch viele andere Gemeindetreffen für die Gruppen, Vorträge, Konzerte, Gesprächsrunden – je nach Tradition in der Gemeinde.
  • Mich persönlich hat das Verhältnis der Generationen in der Kirche beeindruckt. Eine kurze Sequenz soll deutlich machen, welche konkreten Gedanken ich mitgebracht habe: Ein fast 70jähriger Kirchenvorsteher berichtete von dem Programm in seiner Gemeinde. Dieses kurze Gespräch will ich hier einfach möglichst genau wiedergeben. „Und am Karsamstag haben wir wieder Miss- und Misterwahlen für die jungen Leute.“ – „Warum macht ihr das? Gefällt dir das?“ – „Wir machen das für die Jugend. Es ist doch egal, ob es mir gefällt.“ – Ah…?“ – „Ich war mit der Musik in unseren Gottesdiensten auch zufrieden. Aber die Jugend hat gesagt, wir brauchen Instrumente. Jetzt singen wir eben mit Keyboard, Schlagzeug und E-Gitarre. Mir hat es zwar früher besser gefallen, wenn wir uns aber nicht nach der Jugend richten, kommen die nicht mehr. Also machen wir das so wie es für sie gut ist.“ Der Kirchenvorsteher ist kein „Einzelfall“, diese Haltung ist mir immer wieder begegnet. Wie können wir so eine Haltung bei uns erzeugen? Denn in unserer Kirche fehlt die Jugend schon...
  • Wir haben viel über die Verwendung der Spenden für den Bildungsfonds erfahren: In einem anderen Bericht („Bildung ist ein hohes Gut“) habe ich schon auf erlebte Beispiele für die Verwendung der Spenden im Bildungsfonds hingewiesen. Immer wieder haben wir die jungen Menschen persönlich kennen gelernt, die durch den Bildungsfonds unterstützt werden. Und bekommen in den Kirchengemeinden genaue Abrechnungen (und erkennen, dass auch die Partner selber für den Bildungsfonds viel Geld sammeln – teilweise die gleiche Summe, die aus Deutschland zur Verfügung gestellt wird.) Ich kann nur Mut machen, diese Abrechnungen immer mal wieder in den Kirchengemeinden abzurufen – denn es gibt sie immer.

Eine innere Beteiligung und Anteilnahme wird durch eine persönliche Begegnung in Südafrika oder Deutschland befördert – und dient damit der Partnerschaft zwischen den Gemeinden in Nord und Süd. Persönliche Eindrücke und Erlebnisse motivieren die Gäste und die Gastgeber für die Partnerschaft. Zum Besuch gibt es keine gleichwertige Alternative und so bleibt nur der alle paar Jahre stattfindende Flug zu den Partnern. Das Fazit lautet daher: „Ja, eine persönliche Begegnung lohnt sich immer!

Anke Meckfessel