Informationen aus unseren Partnergemeinden | Juli 2021

Nachricht 19. Juli 2021

Anke Meckfessel hat in den letzten Tagen viel mit verschiedenen Menschen aus unseren Partnergemeinden kommuniziert und berichtet darüber.

Die Regenbogennation Südafrika hat mehr Probleme als Farben im Regenbogen

Die aktuellen Ausschreitungen zeigen, wie zerbrechlich die gesellschaftliche Situation in Südafrika ist

Wer in den letzten Tagen Nachrichten gesehen und/oder gehört hat, ist mit Sicherheit sehr erschreckt über die Bilder und Berichte aus Südafrika – mit dem Schwerpunkt der Provinz KwaZuluNatal, in der unsere Partnergemeinden liegen.

Genug Menschen haben in den letzten Jahren unsere Partnergemeinden besucht oder Besuch von dort erhalten – und damit auch Fotos gesehen von den vielen Plätzen, die uns jetzt zerstört und abgebrannt präsentiert werden.

„Südafrika ist ein Pulverfass, das jederzeit explodieren kann“ – das ist schon seit Jahren die Meinung (kirchlicher) Expert:innen der südafrikanischen Gesellschaft. Dabei spielen zum Beispiel

  • die Spätfolgen des Apartheidsregimes und deren bis heute ungelösten Probleme wie die Landrückgabe,

  • die extreme Schere zwischen arm und reich,

  • hohe (Jugend-) Arbeitslosigkeit,

  • schlechte Infrastruktur in allen gesellschaftlichen Bereichen wie Bildung und Gesundheitswesen,

  • hohe Inflationsraten,

  • steigende Preise und stagnierende Löhne,

  • Korruption in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens

eine Rolle, die die Menschen in Südafrika in schlimmste Bedrängnis bringt.

Und jetzt hat sich dieser Frust entladen, als in der Nacht vom 07./08. Juli 2021 der vorherige Präsident inhaftiert worden ist. Jacob Zuma hatte bis zum Schluss versucht, sich der Verhaftung zu entziehen. Seit seiner Ablösung als Vorsitzender der alleinigen Regierungspartei ANC und als Präsident des Landes hat Zuma immer wieder versucht, sich den juristischen Konsequenzen seiner Handlungen zu entziehen und Unterstützer:innen um sich zu versammeln. Es gibt nicht wenige Menschen in Südafrika, die die Verurteilung Zumas als ungerecht ansehen, da auch sein Nachfolger in den Ämtern, C. Ramaphosa, nicht fehlerlos durchregiert und die wichtigen offenen gesellschaftlichen Fragen wie Landrückgabe und Abschaffung der Bildungskosten noch immer nicht gelöst hat. „Die jetzige Regierung kann den letztjährigen Skandal vom Verlust von 500 Millionen Rand (~30 Millionen €uro) auch nicht erklären – und die werden nicht belangt“, so lautet eine Meinung, die einen winzigen Einblick in das Gemengelage gibt.

Auf jeden Fall hat die Inhaftierung Zumas dafür gesorgt, dass zunächst LKW’s, die das Land von den großen Häfen Durban und Richards Bay versorgen, überfallen und angezündet worden sind. Und damit war der Startschuss gefallen, um als nächstes die Supermärkte zu plündern und anzuzünden. Manche unserer Partner:innen beschreiben das als „Volksfest“, da die meist jugendlichen Menschen fröhlich alle Luxusgüter in Kleintransportern, PKW’s, aber auch mit Motorrädern, Fahrrädern und zu Fuß abtransportieren.

Dass der ursprüngliche politische Protest in Diebstählen und Plünderungen ausgeartet ist, ist auch der Tatsache geschuldet, dass sich Südafrika seit einigen Wochen auf Coronastufe 4 befindet – und der Präsident diese Stufe gerade um mindestens 3 Wochen verlängert hat: Nur überlebenswichtige Bereiche wie im Gesundheitswesen, der Versorgung wie Wasser- und Stromwerke, Supermärkte sind geöffnet – und ein landesweites Versammlungs- und Alkoholverbot gilt.

Mittlerweile versuchen Polizei, Armee und selbstorganisierte Bürger:innen gemeinsam das Plündern, Zerstören und Töten (Stand 15.07.2021: 102 Tote) zu stoppen. Das Pulverfass wird also wieder ein weiteres Mal notdürftig repariert, das bleibt zu befürchten. Auch wenn mittlerweile deutlich ist, dass die Unruhen angezettelt worden sind, um einen landesweiten Putsch zu beginnen.

Zum Abschluss noch ein Blick auf die kirchlichen Strukturen: Alle christlichen Kirchen in der Provinz KwaZuluNatal haben gemeinsam eine Erklärung am Montag, 12.07.2021 verfasst, in der die Christ:innen daran erinnert werden, dass Gewalt in der jesuanischen Botschaft keine Rolle spielt und sich kein Kirchenmitglied an solchen Aktionen beteiligen darf. Wie in anderen schwierigen Lagen auch, versuchen die Kirchen, ihren Mitgliedern andere Verhaltensmuster zu vermitteln: Solidarität, Menschlichkeit, Menschenwürde, Fairness, Weiterdenken sind Werte, die Christ:innen leben sollen.